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Menschen
«Eine Struktur in Beton zu denken und anschliessend in Holz umzusetzen, ist der falsche Weg»
In NACH.GEFRAGT spüren wir bei Holzbauingenieuren und Architekten nach, wie sich der Holzbau entwickelt und mit welchen Bauprojekten sie sich beschäftigen. Dieses Mal sprechen wir mit Bauingenieur Pieder Hendry – Vorsitzender der Geschäftsleitung der Conzett Bronzini Partner AG – unter anderem über die besonderen Herausforderungen beim Bau der Wildtierbrücke Mühleberg.
Interview Susanne Lieber | Foto zVg
Herr Hendry, im Holzbau hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. Was sehen Sie besonders positiv an dieser Entwicklung?
Als positiv betrachte ich das veränderte Bewusstsein von Auftraggebern und uns Planenden. Das Bauen mit Holz geniesst heute einen deutlich höheren Stellenwert als noch vor einigen Jahren, was natürlich auch auf die stärkere Gewichtung der Nachhaltigkeit bei den Projekten zurückzuführen ist.
Welches sind Ihre persönlichen Leuchtturmprojekte – schweizweit oder international betrachtet?
Wir haben vor Kurzem mit unserem ganzen Team unsere Baustelle der neuen Schulanlage Dohlenzelg in Windisch (AG) besichtigt. Der architektonische Ausdruck des Schulhauses – entworfen vom Büro Liechti Graf Zumsteg – hat mich stark beeindruckt. Der grundsätzlich einfache Holzbau besticht durch die vielfältig nutzbaren und bespielbaren grossen Flächen, die dank grosszügiger Spannweiten möglich sind. Das oberste Geschoss wird durch hohe Fachwerke aus Holz überspannt, die die Belichtung der Räume über das Dach ermöglichen. Durch die konsequent über die ganze Länge des Gebäudes angeordneten Fachwerke ergibt sich ein faszinierendes Erlebnis der verschiedenen Räume. In diesem Sinn ist das Schulhaus ein schönes Beispiel für einen zeitgemässen und wirtschaftlichen Holzbau.
Wo sehen Sie im Holzbau noch Entwicklungspotenzial – planerisch, konstruktiv oder fertigungstechnisch?
Die Möglichkeiten des heutigen Holzbaus sind gross. Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir unsere Tragwerke weiterhin materialgerecht entwerfen sollten. Eine Struktur in Beton zu denken und anschliessend in Holz umzusetzen, ist der falsche Weg. Zudem müssen wir darauf achten, Holz nur dort einzusetzen, wo es seine Stärken ausspielen kann.
Was für einen Holzbau würden Sie gerne einmal planen und warum?
Im Studium habe ich mit einem befreundeten Architekten für eine Semesterarbeit ein Dach einer Halle als Bogentragwerk entworfen, das durch Vollholzbalken gebildet wird und mit reinen Holz-Holz-Verbindungen auskommt. Mich würde es reizen, dieses System einmal umzusetzen.
Was war die besondere Herausforderung beim Bau der Wildtierbrücke in Mühleberg (S. 32)?
Aus planerischer Sicht war die Wahl des statischen Systems eine anspruchsvolle Aufgabe. Nach reiflicher Überlegung haben wir uns für einen Zweigelenkbogen und gegen einen Dreigelenkbogen entschieden. Auch die konstruktive Ausbildung der Stahlgelenke bei den Kämpfern erforderte einige Iterationen. Auf der Baustelle war für den Unternehmer vor allem die exakte Montage der Stahlgelenke bei den Betonkämpfern eine grosse Herausforderung, denn die präzise gefertigten Holzbinder liessen wenig Spielraum. Der Unternehmer hat diese Aufgabe mit Bravour gemeistert. Zudem haben wir grossen Wert auf die Ausbildung der trocken gemauerten Schwergewichtsmauern über den Portalen gelegt. Auch hier gebührt den Ausführenden auf der Baustelle ein grosser Dank für das gelungene Resultat.
Pieder Hendry
Bauingenieur Pieder Hendry (*1981) hat an der ETH in Zürich studiert und mit einer Arbeit über Freivorbaubrücken der Schweiz diplomiert. 2020 folgte ein CAS ETH ARC in Unternehmensführung. Seit 2015 ist er Teilhaber und Verwaltungsrat der Conzett Bronzini Partner AG. Darüber hinaus ist er Dozent im Bereich Erhaltung von Tragwerken an der
FH Graubünden. Zu den aktuellsten Projekten, an denen er mitwirkt, gehört der Bahnhofsausbau Landquart – ein Projekt der SBB und der Rhätischen Bahn. Die Fertigstellung soll 2032 erfolgen. cbp.ch





